Stress mit Co-Autoren überleben
Die Idee ist verlockend: Warum sollte man als Solo-Autor die ganze Arbeit machen? Man kann doch liebe, nette und intelligente Mitmenschen bitten, sich an der nächsten Publikation zu beteiligen! (Und wenn man es geschickt anstellt, fühlen die sich zunächst auch durchaus geschmeichelt.)
Ein vages Commitment bekommt man rasch. Es ist jedoch nicht gesagt, dass man tatsächlich weniger Arbeit und Stress mit seinem Publikationsvorhaben hat. Im Gegenteil: Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass oft mehr schief geht als man sich zunächst vorstellen kann.
Tipp 1: Arbeiten Sie nur mit erfahrenen Co-Autoren, sofern diese substanzielle Inhalte beitragen, die Ihnen selbst nicht zur Verfügung stehen. Verlassen Sie sich nie auf unerfahrene Autoren und Neulinge.
Tipp 2: Je weniger Mitstreiter desto besser! Glauben Sie mir: Ich habe wertevolle Lebenszeit damit verbracht, Co-Autoren für Sammelbände zu koordinieren, selbst Gastbeiträge zu schreiben und Gastautoren für meine eigenen Publikationen zu koordinieren. Und: Es sind beileibe nicht nur Terminfragen, die immer wieder zu Problemen führen.
Tipp 3: Klare Abgrenzung und Absprachen. Wenn Sie ein Kapitel oder einen Manuskriptteil aus der Hand geben, klären Sie vorab die erwarteten Inhalte und die Einbindung in das Gesamtmanuskript. Einigen Sie sich auf Abgabetermin, Umfang und Dokumentformat. Und dann lassen Sie los. Mischen Sie sich nicht mehr ein.
Tipp 4: Halten Sie Kontakt. Das ermöglicht es, auftretende Probleme und Fragen im Vorfeld zu klären (»Muss ich erst xyz einführen, oder kommt das in den früheren Kapiteln schon vor?«). Und stellen Sie sicher, dass sich alle Beteiligten an den Terminplan halten. (Ja, auch Sie!)
Tipp 5: Nur eine Feedback-/Überarbeitungsschleife. Akzeptieren Sie, dass der angelieferte Teil nicht Ihrer Sicht der Dinge entsprechen wird. Wenn Sie damit ein Problem haben, dann suchen Sie sich keine Co-Autoren! Die Feedback-Schleife soll nur die nahtlose Einbindung des externen Teils sicherstellen. Versuchen Sie nicht, Ihren Co-Autor von Ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen. Und: Widerstehen Sie unbedingt dem Impuls, mit den Co-Autoren unfertige Textfragmente auszutauschen. Das kostet nur Zeit und Nerven.
Tipp 6: Geben Sie Ihrem Co-Autor nicht das fertige Manuskript mit der Bitte um Feedback! Er wird die Bitte ernst nehmen und Ihnen eine Liste mit Verbesserungsvorschlägen schicken. In dem Moment ist nicht nur der Abgabetermin, sondern auch die Freundschaft in großer Gefahr.
Tipp 7: „Gestückelte“ Manuskripte brauchen unbedingt ein rigoroses externes Lektorat. Nur eine unbeteiligte Person ist in der Lage, die Teile homogen aneinander anzupassen: Schreibweisen, Formulierungen, Level of Detail und vieles mehr. Dabei müssen alle Autoren hinnehmen, dass ihre Texte verändert und angeglichen werden. Das Lektorat sollte von einer in solchen Projekten erfahrenen Person durchgeführt werden. Und: Vergessen Sie nicht, Zeit für diesen Prozess einzuplanen.
Tipp 8: Trotz aller Angleichung sollte für den Leser in der Regel deutlich werden, wer für welche Passage verantwortlich ist. Ausnahmen sind nur bei gleichberechtigten Autorenteams sinnvoll.
Tipp 9: Danken Sie Ihren Co-Autoren am Ende des Prozesses für ihre Mühe und denken Sie sich eine Überraschung für sie aus.
Tipp 10: Bei drei oder mehr unabhängigen Co-Autoren sollten Sie sich einen (unabhängigen) Projektkoordinator suchen, der die Einhaltung der Vorgaben und Absprachen laufend überwacht und der die Integration der einzelnen Teilmanuskripte in das Gesamtmanuskript übernimmt.
Bonustipp: Verabschieden Sie sich von der Idee, durch Co-Autoren Zeit zu sparen. Und nehmen Sie 1-2 Baldriantabletten, bevor Sie die Manuskriptteile der Co-Autoren zum ersten Mal lesen.
Fazit: Prinzipiell kann die Zusammenarbeit mit Co-Autoren gewinnbringend sein, wenn sich jeder auf sein Fachgebiet beschränkt und man sich gegenseitig respektiert. Aber der Koordinationsaufwand wird häufig unterschätzt und enttäuschte Erwartungen führen oft zu Frust, zusätzlichem Stress, Termindruck und suboptimalen Ergebnissen. Hat man jedoch verstanden, die Hürden zu meistern und mit den Eigenheiten solcher Projekte zu leben, dann kann die gezielte Zusammenarbeit mit Co-Autoren sehr befruchtend für das Publikationsvorhaben sein.