Von Verkomplizierern und Vereinfachern
Als Autor im stillen Kämmerchen wird man immer wieder von Selbstzweifeln geplagt: Ist das jetzt vollständig genug? Oder fehlt noch was? Was, wenn die Leser mein Buch verreißen, weil wichtige Informationen fehlen? Oder weil sie es zu banal finden?
Solche Gedanken lassen sich nicht ganz abstellen (außer vielleicht, man ist absolut von sich überzeugt). Im Grunde geht es darum, dass man sich selbst zum Experten macht, sobald man etwas in der Öffentlichkeit präsentiert. Es gibt keine formale Qualifikation, die ein für alle Mal unzweifelhaft belegen würde: Ja, du bist der Experte und du darfst diese Publikation ohne schlechtes Gewissen veröffentlichen! (Auch Verlage sind keine wirklichen Qualitätsgaranten: Dort würde es in den meisten Fällen kaum auffallen, wenn der Autor nur gut ausformulierten Mist zusammengeschrieben hätte.)
Interessant ist aber, wie Autoren und Fachexperten mit diesen Zweifeln und Ängsten umgehen:
- Die Verkomplizierer versuchen, den Stoff möglichst umfassend und vollständig zu präsentieren. Bloß keine Lücken! Man formuliert besonders gesetzt, denn das kennzeichnet den wahren Experten. Alles wirkt gehetzt und gedrängt, weil möglichst viel hineingequetscht werden soll. Problem nur: Das Manuskript wird immer länger, man zögert die Abgabe hinaus (es könnte einem ja noch etwas Wichtiges einfallen) und selbst die spannendsten und einfachsten Inhalte werden unnötig kompliziert und langweilig.
- Die Vereinfacher wissen und akzeptieren, dass sie nicht alles wissen. Und dass der Platz immer zu wenig ist für eine vollständige und umfassende Darstellung. Mut zur Lücke (der Leser weiß nicht, was man eigentlich hätte noch schreiben wollen), Fokussierung auf die Inhalte, die wirklich nützlich für den Leser sind, eine möglichst einfache und anschauliche Sprache und brutales Rausstreichen von allem Überflüssigen: Das sind die Elemente für Publikationen, die gerne (und bis zum Ende) gelesen werden.
Ich sehe das immer dann, wenn ich Whitepaper und Reports für Kunden schreibe: 12, 15 oder 20 Seiten locker formatiert mit Deckblatt und Kontaktinfos – da bleibt nicht viel Platz für ausschweifende Darstellungen. Und sie interessieren niemanden, denn solche Publikationen sind vor allem ein Türöffner. In weiteren Gesprächen kann man das Thema später vertiefen.
Aber es gibt immer wieder Experten, die nicht loslassen können. Für die eine einfache Darstellung einfach nicht komplex genug ist. Und die erst dann zufrieden sind, wenn das Whitepaper den doppelten Umfang und 25 zusätzliche Fußnoten hat. Dabei habe ich noch nie von einem Leser gehört: „Das hätte ich mir jetzt 20 Seiten länger und weniger eingängig formuliert gewünscht …“
Wozu zählen Sie: zu den Verkomplizierern oder den Vereinfachern?